El Dorado aus Mist und Kohle

El Dorado, eine Stadt aus Gold - die ersten europäischen Entdecker des Amazonasgebietes verbreiteten diese Nachricht. Aber es war nicht das Gold, sondern eine höchst ertragreiche Landwirtschaft, die durch die Anwendung verkohlter Biomasse im Boden die Entwicklung einer reichen Hochkultur ermöglichte. Mit Mist, Holzkohle und modernster Mikroskopie wird die sogenannte „Pflanzenkohle“ heute wieder für eine nachhaltige Landwirtschaft nutzbar gebracht.

Von Nikolas Hagemann

Erstveröffentlichung - Forschungsbericht


El Dorado, die sagenhafte Stadt aus Gold, ist leider nur eine Legende
El Dorado, die sagenhafte Stadt aus Gold, ist leider nur eine Legende

Pflanzenkohle – Kohle aus Pflanzen, Kohle für Pflanzen! Dazu werden Holz oder Reststoffe aus der Landwirtschaft in emissionsarmen Verfahren verkohlt und in den Boden eingebracht. Dort wirkt Pflanzenkohle wie ein Schwamm, der Wasser und Nährstoffe speichern kann. Diese Speicherkapazität verringert die Gefahr, dass Regenwasser Nährstoffe in das Grundwasser auswäscht und ermöglicht den Aufbau von zusätzlicher organischer Bodensubstanz.. Damit entstehen langfristig fruchtbarere Böden. Dieses Konzept begeistert Forschende, Umweltaktive und visionäre Landwirte gleichermaßen.

Der „Schwamm“ entsteht bei der Verkohlung, auch Pyrolyse genannt (Erhitzen unter Ausschluss von Sauerstoff). Die Pyrolyse verändert die Chemie der Kohlenstoffverbindungen grundlegend: aus Kohlenhydraten, Fetten und Proteinen werden Graphit und andere stabile aromatische Verbindungen. Doch die Struktur der Pflanzen mit ihrer feinen schwammartigen Faserarchitektur bleibt erhalten, während zusätzlich weitere feinste Poren entstehen.

Das Konzept Pflanzenkohle ist eine Jahrhunderte alte Tradition. Das populärste Beispiel ist das Geheimnis von El Dorado: „Terra Preta“ – die Schwarze Erde. Die Ureinwohner Südamerikas brachten in ihren Siedlungen verkohlte Biomasse in den zunächst kargen Boden des Amazonasgebietes ein. An diesen Orten entstand eine humusreiche und außerordentlich fruchtbare Erde. Diese ermöglichte eine enorm produktive Landwirtschaft und damit den Reichtum, der als Sage von „El Dorado“ um die Welt ging. Aber auch in anderen Regionen der Welt, zum Beispiel in Deutschland, wurden bereits ähnliche von Menschen geschaffene Böden entdeckt, die deutlich fruchtbarer sind als die benachbarten, natürlichen Böden.

Pflanzenkohle ist auch aktiver Klimaschutz: Zum einen kann man durch die Verkohlung Wärme als erneuerbare Energie gewinnen. Zum anderen wird Kohlenstoff im Boden gespeichert und so CO2 Emissionen vermieden. In den Boden eingebracht, ist der Kohlenstoff der Pflanzenkohle auf Jahrhunderte stabil. Ohne Pyrolyse würde der Kohlenstoff durch die Verrottung der Pflanze wieder als CO2 in die Atmosphäre abgeben werden.

Seit gut zehn Jahren führen Forschende auf der ganzen Welt Versuche durch, um die Wirkungsweisen von Pflanzenkohle zu verstehen und sie wieder in Anwendung zu bringen. Durch eine neue „Terra Preta“ hofft man die bald 9 Milliarden Menschen weltweit mit einer produktiveren Landwirtschaft umweltfreundlich ernähren zu können. Doch die bisherigen Ergebnisse sind meist ernüchternd. Zwar erreicht man Ertragssteigerungen und weitere positive Nebeneffekte der Pflanzenkohle entdeckt, wie die erhöhte Resistenz von Pflanzen gegen Pilzkrankheiten. Aber Kosten und Aufwand machen den Einsatz der Kohle bislang oft unwirtschaftlich. Diese Versuche wurden meist mit frischer, unbehandelter Pflanzenkohle durchgeführt – aber Pflanzenkohle ist kein Dünger, sondern ein Speicher.

„Wir müssen die Kohle vor dem Einsatz im Boden mit Nährstoffen ‚aufladen‘“, sagt Hans-Peter Schmidt, Gründer des Ithaka Institute for Carbon Strategies. Damit orientiert er sich an der Terra Preta. Auch die Ureinwohner Südamerikas haben verkohlte zusammen mit nicht-verkohlter, nährstoffreicher Biomasse in den Boden eingebracht. Hans-Peter Schmidts vielversprechender Ansatz ist die Kompostierung von Pflanzenkohle: sie wird mit Mist von Rindern, Pferden und Hühnern vermischt und kompostiert.

Durch regelmäßige Durchmischung gelangt Luft in den Kompost, sodass Pilze und andere Mikroorganismen den Mist abbauen können. Das Volumen verringert sich dadurch etwa um die Hälfte, die Pflanzenkohle bleibt vollständig erhalten. Belüftung verhindert Fäulnis und damit auch die Emissionen des Treibhausgas Methan. Gleichzeitig wird der Kompost hygienischer gemacht: die Mikroorganismen produzieren Wärme von über 60°C und schädliche Bakterien sterben ab. Der reife Kompost ist ein hochwertiger Dünger, der auch direkt als Blumenerde eingesetzt werden kann.

Kompostierte Pflanzenkohle wirkte in früheren Versuchen bereits in geringen Mengen wachstumsfördernd und ertragssteigernd. Damit könnte Pflanzenkohle wirtschaftlich tragfähig werden. Doch warum „funktioniert“ kompostierte Pflanzenkohle im Boden besser als frische Pflanzenkohle? Warum wirkt sie auch dann noch besser, wenn frische Pflanzenkohle, statt mit organischen Düngern, mit einer entsprechenden Menge mineralischen Düngers angewendet wird?

Um diese Fragen zu klären, setzte ich am Ithaka Institute einen großen Feldversuch an: vier Komposte wurden aus je 20 Kubikmetern Mist aufgesetzt. In drei Komposten wurden unterschiedliche Pflanzenkohlen untergemischt, eine verblieb als Kontrolle ohne Kohle.

„Der Schlüssel liegt in der Speicherung von Nährstoffen“ – davon ist Claudia Kammann von der Hochschule Geisenheim überzeugt. Nitrat ist einer der wichtigsten Nährstoffe für Pflanzen und Bestandteil der meisten Düngemittel. Doch meine ersten Untersuchungen an der Universität Tübingen waren ernüchternd – die pflanzenkohlehaltigen Komposte zeigten einen geringen Nitratgehalt als der Kompost ohne Kohle. Konnte das am Messverfahren liegen? Im Standardverfahren wird der Kompost eine Stunde in einer Salzlösung geschüttelt, um das Nitrat zu lösen – ich verlängerte die Schütteldauer auf eine Woche. Nun zeigte sich der wahre Nitratgehalt meiner Pflanzenkohle-Komposte: Sie enthielten die gleiche Menge Nitrat wie der Kompost ohne Kohle! Doch das Nitrat ist tief im feinen, verzweigten Porensystem der Kohle versteckt. Die Erklärung für ein besseres Pflanzenwachstum liegt also nicht in der Menge des Nitrats, sondern, dass die Pflanzenkohle es nur langsam freisetzt und es damit für die Pflanze länger verfügbar ist.

In der Kohle ist das Nitrat vor dem Verbrauch durch Mikroorganismen und der Auswaschung ins Grundwasser geschützt. Frei im Boden kann es sich nicht halten, da Nitrat wie auch die meisten Oberflächen von Bodenbestandteilen wie Sand oder viele Tonminerale eine negative Ladung aufweist - zwei negative Ladungen stoßen einander ab - wie zwei gleichartige Magnetpole. Daher geht Nitrat oft verloren, noch bevor es von Pflanzenwurzeln aufgenommen werden kann.

In weiteren Experimenten konnte ich zeigen, dass die langsame Freisetzung des Nitrats aus der Pflanzenkohle kein biologischer Effekt ist und auch der Kompost an sich durch die Anwesenheit der Kohle nicht verändert wurde. Ausschließlich chemisch-physikalische Effekte sind dafür verantwortlich, dass die Kohle Nitrat speichert. Untersuchungen anderer Forschender zeigten, dass Wurzeln sich gerne um Pflanzenkohlstücke herumschlingen und Feinwurzeln direkt in sie hineinwachsen – sie holen sich die Nährstoffe direkt aus dem Speicher!

Doch auch Pflanzenkohle hat eine negative Oberflächenladung – wie wird also das Nitrat gespeichert? Dazu untersuchte ich gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen in Österreich, Australien, Kanada und den USA einzelne Kohlestückchen vor und nach der Kompostierung mit verschiedenen hochmodernen Mikroskopen. Dabei entdeckten wir eine Beschichtung der kompostierten Pflanzenkohle mit kohlenstoffhaltigen Molekülen aus dem Kompost. Insbesondere in Poren der Pflanzenkohle, die nur einige Hundertstel Millimeter groß sind, fanden wir die Beschichtung, die selbst nur wenige Zehntausendstel Millimeter dick ist. Dennoch ist auch diese Beschichtung wiederum ein System aus noch feineren Poren. Selbst diese Poren sind mit Wasser gefüllt. Doch das Wasser ist nicht mehr „richtig“ flüssig, sondern liegt in einer Struktur vor, in die das Nitrat eingebettet ist. Es wird so lange gespeichert, bis die Wurzeln es von außen förmlich „heraussaugen“ – so speichert die kompostierte Pflanzenkohle Nitrat.

Forschende haben nun eine neue Perspektive auf Pflanzenkohle und können zielgerichtet neue Langzeitdünger entwickeln. Für Umweltaktive ist die Beschichtung eine Bestätigung, das Pflanzenkohle langfristig im Boden stabil ist und damit das Klima schützt. Visionäre Landwirte können nun mit Pflanzenkohle ihre Gülle oder ihren Mist effektiver einsetzen und das Grundwasser schonen.

Damit kommen wir dem Phänomen El Dorado näher - vielleicht auch in Ihrem Garten?

Kaufen Sie hochwertige Grillkohle und zerstoßen Sie die Kohle in kleinere Stückchen. Um aus Ihren Küchenabfällen einen besseren Kompost zu erzielen, verteilen Sie einmal pro Woche eine dünne Schicht Kohle auf ihren Komposthaufen. Haben Sie die Geduld, die Sie sonst auch mit Ihrem Kompost haben – Kompost im kleinen Maßstab benötigt mehr Zeit als der belüftete Mist-Kompost. Wenn Sie nicht kompostieren, können Sie auch Bio-Flüssigdünger verwenden - auch diese enthalten große Mengen Kohlenstoffmoleküle, die die Kohle beschichten kann. Legen Sie die Kohle in verdünnten Bio-Flüssigdünger, den sie zuvor mit zwei Teilen Wasser verdünnt haben. Warten Sie einige Tage, denn die frische Kohle benötigt viel Zeit um die Flüssigkeit aufzunehmen. Bringen Sie die feuchte Kohle beim Umtopfen unter den Wurzelballen ein oder mischen Sie sie vor der Aussaat in den Boden.
Viel Spaß beim Aufbau Ihres persönlichen El Dorado!